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Ignaz Epper (1892–1969)
Selbstbildnis III, um 1917
Holzschnitt auf Papier,
39.2 x 31 cm
Fondazione Ignaz e Mischa Epper, Ascona
© Foto: Fondazione Ignaz e Mischa Epper, Ascona |
Otto Morach (1887–1973)
Selbstbildnis, 1915
Öl auf Jute, 31.5 x 41 cm
Kunstmuseum Olten, Inv. 1967.17
© Foto: Kunstmuseum Olten
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Ignaz Epper und Otto Morach
Aufbruchstimmung und Zukunftsangst vor 100 Jahren
Eine Kooperation mit der Stiftung Ignaz und Mischa Epper, Ascona
Kunstmuseum Olten, 2. Dezember 2018 bis 17. Februar 2019
Die Ausstellung rückt zwei Hauptvertreter des Schweizer Expressionismus in
den Fokus,
deren Schaffen bisher – abgesehen vom ersten Teil dieses Projekts im
Frühling in Ascona –
nie in einer direkten Gegenüberstellung gezeigt worden ist. Auf den ersten
Blick erstaunt dies
kaum. Der St. Galler Ignaz Epper (1892–1969), der in Zürich und später in
Ascona lebte,
wurde vor allem als Holzschneider und Zeichner im Kreis der sozialkritischen
Zürcher
Künstler seiner Generation wie Otto Baumberger, Eduard und Max Gubler und
Gregor
Rabinovitch oder als Teil des «Dreigestirns» Epper – Pauli – Schürch
rezipiert. Demgegenüber
wurde der Solothurner Otto Morach (1887–1973) v. a. als Maler und
Plakatgestalter
wahrgenommen, etwa im Kontext der Gruppierung «Das Neue Leben» oder im
Verbund mit
seinen Freunden Fritz Baumann, Arnold Brügger und Johannes Itten.
Trotzdem sind über die expressive Formensprache hinaus viele
Berührungspunkte auszumachen:
Beide Künstler schufen ihr Hauptwerk im Jahrzehnt nach 1913 im Anschluss an
Auslandaufenthalte, die sie in Kontakt mit den internationalen Avantgarden
gebracht hatten.
Vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf die provinzielle Heimat
zurückgeworfen,
verarbeiteten sie die gewonnenen Eindrücke anhand von Themen, die damals die
Welt
bewegten.
So nimmt in ihrer Arbeit die Stadt als Brennpunkt modernen Lebens grossen
Raum ein. Hier
manifestieren sich die gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen,
wie die
Auswirkungen der Industrialisierung, besonders deutlich. Bilder von
Strassenfluchten,
Eisenbahnanlagen, Brückenbauten, Fabriken und Baustellen offenbaren ein
zwiespältiges
Verhältnis gegenüber den technischen Neuerungen. Die Faszination für die
Beschleunigung
und die zunehmende Automatisierung des Lebens verbindet sich darin mit der
Sorge
angesichts der Zerstörung und Veränderung von Landschaften und sozialen
Gefügen.
Aber auch die Fragilität menschlicher Existenz im Zeichen von Krieg,
politischen Unruhen
und wirtschaftlichem Elend treibt beide Künstler um. Seiltänzer und einsame
Kaffeebesucher
versinnbildlichen individuelle Ängste in einer unsicheren Zeit. Symbolhafte
Bilder für die
Verletzlichkeit, das Leiden und die Hoffnung der Menschen finden Morach und
Epper im
Rückgriff auf die christliche Ikonographie mit Darstellungen des
Gekreuzigten oder des
Martyriums des Heiligen Sebastian, aber auch in der permanenten Suche nach
dem Licht.
Die thematisch gegliederte Gegenüberstellung, die dem Gast Ignaz Epper etwas
mehr Raum
gewährt, schält Verwandtes und Gegensätzliches im Oeuvre der beiden Künstler
heraus.
Einen Schwerpunkt bilden Werke der Jahre 1918/19, der Zeit des Umbruchs am
Ende des
Grossen Krieges.
Als Heimstätte des Gemäldenachlasses von Otto Morach hat sich das
Kunstmuseum Olten
in der Vergangenheit schon mehrfach mit dem Werk des Solothurner
Expressionisten
beschäftigt, zuletzt 2016 mit einer Ausstellung zu Morachs
Wandbildentwürfen. Die aktuelle
Präsentation ist nun in Kooperation mit der Fondazione Ignaz e Mischa Epper
in Ascona
entstanden. Sie beherbergt Eppers Nachlass und hat diesen Frühling als
Auftakt zur Oltner
Ausstellung bereits Werke von Epper und Morach gemeinsam präsentiert.
Parallel zeigen wir einen Überblick über das
Plakatschaffen von Otto Morach.
Dieses setzt
um 1918/19 ein und bescherte dem bis dahin vor allem als Maler bekannten
Künstler auch
auf diesem Gebiet grosse Anerkennung. Ausgehend von einer anfänglich noch
stark
expressionistisch geprägten Formensprache entwickelte Morach innovative und
äusserst
moderne Lösungen für Werbeplakate.
Kunstmuseum Olten Kirchgasse
8, CH-4600 Olten, +41 62 212 86 76,
info@kunstmuseumolten.ch
Di–Fr 14–17 Uhr (Do bis 19 Uhr), Sa/So 10–17 Uhr; weitere Informationen:
www.kunstmuseumolten.ch

Ignaz Epper (1892–1969)
1892
Geburt in St. Gallen als Sohn eines Stickerei¬zeichners und
eines Kindermädchens.
Kindheit in bescheidenen Verhältnissen.
Besuch der Sekundar- und Gewerbeschule
St. Gallen, u. a. mit Sophie Taeuber, Theo Glinz
und Sebastian Oesch.
1908–1912
Ausbildung zum Stickereizeichner in St. Gallen
1912/13
Anstellung als Entwerfer bei der Firma Selig in St. Gallen, die
ihn als Entwerfer für Modeskizzen nach Berlin schickt.
Nach der Rückkehr Entschluss, Künstler zu werden, Aufgabe der
Anstellung. Otto Rüegger führt ihn in die Technik des
Holzschnitts ein. Mehrmonatiger Aufenthalt in Weimar und
München. Auseinandersetzung mit der Gruppe «Der Blaue Reiter».
Niederlassung in Zürich. Lithographenlehre bei der Firma Seitz.
Erste Holzschnitte.
1914–1919
Grenzdienst. Zahlreiche Zeichnungen und ca. 60 Holzschnitte,
viele davon thematisieren Krieg und Gewalt. Verkehrt in Zürich
im Café Odeon und Terrasse, Bekanntschaft mit Künstlern aus dem
Dada-Kreis sowie mit Otto Abt, Karl Geiser, Hermann Haller,
Hermann Huber, Reinhold Kündig, Ernst Morgenthaler, Gregor
Rabinovitch, Walter Kurt Wiemken und den Gubler-Brüdern.
1916
Bekanntschaft mit dem Zürcher Kunsthändler und Mäzen Han Coray,
der seine Holzschnitte künftig permanent in seiner Galerie
ausstellt.
1917
Nationale Aufmerksamkeit dank Präsenz in der «Sturm-Ausstellung»
in Corays Basler Nieder¬lassung. Kontakte zur Basler Kunstszene,
grosser Ankauf des Kupferstichkabinetts Basel. Freundschaft mit
dem Basler Kunsthistoriker Paul Ganz und Künstler Fritz Pauli.
1918/19
Arbeitet im städtischen Atelierhaus im Letten-quartier. Gemälde
und Zeichnungen mit Industrielandschaften (Wipkinger Tunnel,
Limmat, Industriehallen).
Schlägt Einladung zur Teilnahme an der Ausstellung «Das Neue
Leben» in Basel aus.
Heirat mit der vermögenden Holländerin Mischa Quarles van Ufford
(1901–1978), die in Zürich zum Kreis von C. G. Jung gehört.
Markante ökonomische Besserstellung.
1920
Erste Reise nach Holland. Zeichnungen von Windmühlen, Kanälen,
Häfen. Umzug an die Spiegelgasse in Zürich. In den Folgejahren
zahlreiche, oft längere Reisen nach Holland, Deutschland,
Österreich, Ungarn, Frankreich, Italien, Nordafrika.
1922
Gründungsmitglied der Vereinigung «Das graphische Kabinett»
(Nachfolge der «Walze»). Reisen nach Berlin und Dresden,
Kontakte zur «Novembergruppe».
ab 1926
Wiederholte Aufenthalte in der Künstlerkolonie
Collioure. Hinwendung zur Freilichtmalerei.
1927
Zunehmende psychische Probleme, Hinwendung
zu symbolistischen Themen.
1932
Umzug nach Ascona, Bezug einer Wohnung in
der Casa Pasini im Dorfkern.
1933
Bekanntschaft mit Johann Robert Schürch, der
sich 1934 auch in Ascona niederlässt.
1934
Sein Freund Fritz Pauli zieht nach Cavigliano im
Valle Maggia.
1937
Gründungsmitglied des Marionettentheaters
Ascona (bis 1942).
1938
Umzug in eigenes Atelierhaus mit umfriedetem Garten am Dorfrand
von Ascona. Beteiligung an Ausstellungen der Künstlergruppe «Der
grosse Bär» in Luzern und St. Gallen.
1945
Beziehungen zum Eranos-Kreis um C. G. Jung.
1969
Freitod im eigenen Garten am 12. Januar.
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Otto Morach (1887–1973)
1887
Geburt in Hubersdorf bei Solothurn als Sohn
eines Bezirkschullehrers und einer Lehrerstochter.
1901
Umzug der Familie nach Solothurn in Eigenheim.
1901–1906
Kantonsschule in Solothurn, Kontakt zu Josef
Müller und Oscar Miller jun.
1906–1908
Sekundarlehrerausbildung an der Uni Bern,
Besuch von Kunstgeschichtsvorlesungen und
Kursen im Aktzeichnen. Erste Ausstellungsbeteiligung
in Solothurn. Beitritt zur alkoholfreien
Studentenverbindung Libertas. Freundschaft mit
Fritz Baumann, Johannes Itten, Hermann
Röthlisberger, Albert Hitz und Hanni Bay.
1908–1911
Weiterbildung zum Zeichenlehrer. Freundschaft
zu Arnold Brügger und Carl Fischer. Schuldienst.
1910/11
Erster Parisaufenthalt, wohnt im Atelierhaus La
Ruche, Besuch versch. Akademien, v. a. Studien
im Aktzeichnen, Studium der Kunst Cézannes.
1912–1913
Kurze Paris-Reise mit Itten und Röthlisberger,
Besuch des Salon des Indépendants (Kubismus).
Reise nach München (lernt über Almanach «Der
Blaue Reiter» Delaunays Kunst kennen),
Dresden und Prag. Zweiter Parisaufenthalt,
wohnt mit Baumann und Brügger im Atelierhaus
La Ruche. Zeichnungen von gotischen Kirchen
und Stadträumen. Begegnung mit dem Werk von
Chagall und Rousseau. Nach der Rückkehr
Entwicklung eines eigenen Stils. Die Landschaft
wird zum wichtigen Motiv. Aufenthalte mit
Baumann bei Sissach und bei Brügger im Berner
Oberland. Wohnt im Elternhaus in Solothurn.
Stelle als Zeichenlehrer.
1914–1918
Ausstellung mit Baumann, Brügger und Fischer
im Kunstsalon Wolfsberg in Zürich.
Wehrdienst, aus gesundheitlichen Gründen vom
Aktivdienst suspendiert. Sporadische Reisen
nach Bern zu Brügger (Café Loeb) und Zürich.
Dort lernt er über Röthlisberger, nun Werk-
Redaktor, Künstler aus dem Dada-Kreis kennen.
Die Stadt Solothurn rückt motivisch ins Zentrum:
Nachtbilder, Loretokapelle, Lokomotiven, Tunnel,
Seiltänzer, Brücken.
1914/15
Kleine Gruppe von Holzschnitten.
1918
Johanna Fülscher vermittelt ihm Auftrag vom Schweizerischen
Marionettentheater (Claude Debussy, «La boite à joujoux»).
Ausstellung «Die neue Kunst» im Salon Wolfsberg mit Arp,
Baumann, Janco und Richter. Neben Baumann Mitinitiator der
Künstlergruppe «Das Neue Leben» in Basel. Beitritt zur
Künstlergruppe «Artistes radicaux».
1919
Berufung an die Kunstgewerbeschule Zürich als Lehrer für
ornamentales Zeichnen. Umzug nach Zürich (Atelierhaus Letten,
später Gemeindestr.). Pensenabsprachen mit Sophie Taeuber
ermöglichen längere Auslandaufenthalte. Atelier in Paris.
Animiert durch den Drucker J. E. Wolfensberger Beginn einer
intensiven Auseinandersetzung mit dem lithographierten
Künstlerplakat (bis 1930 viele preisgekrönte Reklamen für Bally,
Welti Furrer, Bremgarten-Dietikon-Bahn, Davos).
1921/22
Reise nach Deutschland (u.a. Berlin): studiert Werke von
Feininger und Campendonck, moderne Raumdekorationen,
Ausbildungs- und Werkstätten. Halbjähriger Aufenthalt in
Nord¬deutschland: Architektur- und Vegetationsbilder.
1923
Aufenthalt in Positano beim Bruder. Heirat mit Hermana Sjövall,
einer ehem. Schülerin. Eröffnung einer Klasse für Handweberei an
der Kunstgewerbeschule.
1925
Erfolgreiche Beteiligung an der «Exposition internationale des
arts décoratifs et industriels modernes» in Paris. Ausst. «Otto
Morach: Dekorative Malereien, Textilien und Glasgemälde» im
Kunstgewerbemuseum Zürich.
1927
Aufenthalt in Südfrankreich.
1928–1953
Vollamtliches Lehrpensum. Nach Pensionierung
Umzug in Atelierhaus an der Wuhrstrasse.
1930er-/40er-Jahre
Beteiligung an mehreren Wandbild-und Mosaik-Wettbewerben.
Monumentales Wandgemälde an der Landi 39. Natursteinmosaik im
Amtshaus V.
1960er-/70er-Jahre
Wiederentdeckung des Jugendwerks. Soloschau in Galerie Bernard,
Solothurn. Ausst. «Kubismus, Futurismus, Orphismus in der
CH-Malerei», Kunstmuseum Winterthur. Erste Monographie von Peter
Wullimann. Retrospektive in Olten.
1973 Tod in Zürich |
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